Ein Stadtgarten – wer, wie, was, wieso, weshalb, warum?
Urbane Gärten – d.h. Gärten im städtischen Raum – sind kein neues Phänomen, es gibt sie seit Jahrzehnten, weltweit. Seit den 1970er-Jahren zeichnet sich jedoch eine neue Bewegung der urbanen Gemeinschaftsgärten ab, die vor allem durch die Entstehung der “Community Gardens” in New York Bekanntheit erlangt hat. Dort haben sich BürgerInnen zusammengeschlossen, um urbane Brachflächen in Gemeinschaftsgärten zu verwandeln, dort lokal Lebensmittel anzubauen, aber auch um sich zu treffen, zu vernetzen und gemeinsam in der Nachbarschaft aktiv zu werden.
In Kuba beispielsweise haben Stadtgärten eine große Bedeutung. Seit Beginn der 1990er-Jahre wird die urbane Landwirtschaft von der Regierung enorm gefördert, um der Lebensmittelknappheit durch urbane Subsistenz, d.h. durch die lokale Produktion von Lebensmitteln im städtischen Raum, entgegenzuwirken.
“Guerilla Gardening” ist ebenfalls Teil der neuen Gartenbewegung und wurde vor allem durch die Aktivitäten von Richard Reynolds auch hierzulande als subversive Pflanzpraxis bekannt.
In Deutschland gibt es mittlerweile eine Vielzahl an interkulturellen Gemeinschafsgärten, in denen Menschen mit verschiedenen kulturellen Hintergründen zusammenkommen um sich kennenzulernen, sich auszutauschen, zu gärtnern und z. B. gemeinsam typische Gerichte ihrer Kultur zu kochen – einer davon ist seit 2009 der Stadtgarten Glaucha.
Motive und Ziele
Die Motive und Praktiken in den verschiedenen Formen der urbanen Landwirtschaft und des städtischen Gärtnerns sind vielfältig und die Bewegung ist sehr heterogen, dennoch gibt es einige gemeinsame Ziele, hinter denen auch wir mit dem Stadtgarten Glaucha stehen.
– Urbanes Gärtnern ist soziales Gärtnern: partizipativ und gemeinschaftsorientiert mit dem Garten als Lern- und Begegnungsort. Stadtgärten stehen für Weltoffenheit, Toleranz und Respekt gegenüber anderen Menschen, Tieren und der Umwelt ein.
– Stadtgärten stehen jedem offen, um sich mit eigenen Fähigkeiten und Bedürfnissen einzubringen. Es geht darum, zusammenzukommen, sich zu vernetzen, Handlungsstrategien zu entwerfen und durch gemeinsames Handeln aktiv die Welt zu gestalten.
– Viele StadtgärtnerInnen verstehen sich als Teil einer politischen Bewegung. Mehr oder weniger explizit formuliert verbinden viele mit Gemeinschaftsgärten und urbaner Landwirtschaft eine Kritik an neoliberaler, profitorientierter, kapitalistischer und ressourcenausbeutender Arbeits- und Lebensweise, wie sie sich beispielsweise in riesigen Massentierhaltungsbetrieben widerspiegelt.
– Zwar werden in Stadtgärten auch Blumen und Ziergewächse gepflanzt, zentral geht es aber um ‘local food’, also darum frische, gesunde Lebensmittel lokal zu gewinnen.
– Stadtgärten haben eine starke ökologische Bedeutung. Zum einen stellen sie eine lokale und klimaneutrale Nahrungsmittelquelle dar, zum anderen orientierten sich die meisten Stadtgärten am ökologischen Landbau, d.h. es werden weder Kunstdünger noch Pestizide verwendet. Darüber hinaus ist es vielen StadtgärtnerInnen ein Anliegen, sich durch den Anbau alter, robuster Sorten für Sortenvielfalt einzusetzen. Durch die Erhaltung von Biodiversität im Saatgut wird ein Zeichen gegen die drastische Verarmung der Artenvielfalt und gegen gentechnisch verändertes Saatgut gesetzt.
So unterschiedlich die Anliegen der verschiedenen weltweiten Formen der urbanen Landwirtschaft und des städtischen Gärtnerns sind, sie alle zeigen, dass Alternativen durch eigenes Handeln möglich sind. Denn eine andere Welt ist pflanzbar!
Zum Weiterlesen …
Christa Müller (2002). Wurzeln schlagen in der Fremde. Die „Internationalen Gärten“ und ihre Bedeutung für Integrationsprozesse. oekom.
Elisabeth Meyer-Renschhausen (2004). Unter dem Müll der Acker. Community Gardens in New York City. Ulrike Helmer Verlag.
Darrin Nordahl (2009). Public produce. The new urban agriculture. Island Press.
Richard Reynolds (2010). Guerilla Gardening. Ein botanisches Manifest. Orange Press.
Christa Müller (Hg.) (2011). Urban Gardening. Über die Rückkehr der Gärten in die Stadt. oekom.
Martin Rasper (2012): Vom Gärtnern in der Stadt. Die neue Landlust zwischen Beton und Asphalt. oekom.